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Die Zypresse

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2017-04-17 2017-04-17 17.04.2017

Das Jahr geht dem Ende zu. Ist die Wintersonnenwende erst einmal vorbei, dann kann man Ausschau halten nach seinen vergessenen Wünschen und Träumen.
Aber bis es so weit ist, sind die Abende lang. Früh wird es dunkel. Erzählungen verkürzen die Zeit...
Es war einmal ein junger Mann ganz besonderer Art. Groß und schlank mit weichen eleganten Bewegungen. Sein Gang war wiegend, mit federndem Schritt. Aber das allein war nicht das Besondere an ihm. Was allen auffiel, war, dass er den Kopf, trotz seiner Schönheit und Würde, meist gesenkt trug – wie die Zypressen ihre frisch gewachsenen Triebe biegen, bevor sie sich aufrichten und stark werden. War es Demut? Keiner wusste es und wird es auch nie erfahren. Außerdem hatte er eine ganz besondere Gabe: Er konnte mit den Tieren reden und sie zähmen.
Cyparissos war sein Name.
Dann geschah das Unglaubliche. Eines Tages, als er auf der Jagd war, tötete er mit seinem Speer einen Hirsch. Zu spät erkannte er, dass es sein zahmer Hirsch war, den er aufgezogen hatte, auf dem er reiten und durch die Wälder streifen konnte, den er über alles liebte. Voller Verzweiflung und Traurigkeit wollte er nicht mehr weiterleben. Er wollte ebenfalls sterben.
Einer der Götter erbarmte sich seiner, und ließ ihn zu einem schlanken, hochgewachsenen Baum werden. Cyparissos wurde zu einer Zypresse.
Soweit die Entstehungsgeschichte der Zypresse, der Mythologie entnommen, frei nacherzählt. Wer bei Ovids Metamorphosen nachlesen möchte, findet die Geschichte im zehnten Buch, 106-147. „Stets sollst du betrauert werden von uns und nah den Bekümmerten andre betrauern.“
Dass die Zypressen als ein Symbol für ewige Trauer gelten und in Griechenland daher bei Friedhöfen gepflanzt werden, kann sich somit von selbst erklären. Mit ihrer schlanken, hohen Gestalt ragen diese Bäume in den Himmel und weisen auf einen heiligen Platz oder ein Kirchlein hin, mag es auch noch so einsam in der Landschaft stehen, so dass man es von weitem schon erkennen kann.
Abgesehen davon, dass Zypressen schön aussehen und einen guten Duft verströmen, wie schon in Homers Odyssee erwähnt, wurden sie auch für ganz weltliche Zwecke genutzt, wie für Hausbau oder als Schiffsmast. So wurde z.B. in manchen Gegenden zur Geburt eines Mädchens eine Zypresse gepflanzt, deren Stamm bei der Heirat die Mitgift war. Er sollte der Segelmast für das Boot werden, das der Ehemann brauchte, um für die Familie Fische zu fangen. Das Holz ist bestens dafür geeignet, denn „sempervierens“ heißt nicht nur immergrün, sondern in diesem Falle auch „unzerstörbar“.
Für mich ist die Zypresse, verbunden mit ihrem Mythos, das Symbol für Veränderung an sich. Das eine geht zu Ende, das andere kann beginnen. Das Alte wird abgelegt, das Neue hat Raum. Welche Ziele und Aufgaben warten auf uns im Neuen Jahr 2010?
Welche Wünsche und Träume können wir verwirklichen?

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